Das Audi-TT-Symptom
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Ich möchte einen kurzen Abriss meiner Überlegungen zur Diskussion bringen,
inwieweit das Fahren eines Audi TT ein zwangsheterosexuelles Indiz
unterdrückter Homosexualität in unserer hochtechnisierten Gesellschaft
vorstellt.
1. Das Auto
1.1.1 Technologischer Ansatz
Der Volkswagen hat vor einigen Jahren seine gesamte Produktpalette auf die
sog. "Plattform-Strategie" umgestellt. Das bedeutet, dass im Zuge einer
Fertigungsoptimierung in sämtlichen Produkten des Konzerns auf
vergleichbarer Modellschiene die selben Basiskomponenten eingesetzt
werden. Ein Polo ist nicht nur ein Polo, sondern auch ein Seat Marbella,
ein Lada Dingenskirchen usw.
1.1.2 Technik
Der TT ist mitnichen ein Sportwagen [auch wenn er so tut, als sähe er so
aus -> siehe Punkt 1.3], sondern ein klassisches Automobil der sog.
"Kompaktklasse" mit Frontantrieb, Vierzylindermotor und Tachometer als
zentralem Instrument [Anm.: Sportwagen tragen den Drehzahlmesser als
Primärinstrument im Armaturenbrett], das von den Abmassen wie von seinem
Innenleben mit einem Golf vergleichbar ist.
1.1.3 Antriebscharakter
Der Motor des TTs ist aufgrund seines geringen Hubraums auf hohe
Drehzahlen ausgelegt. Das erklärt das nähmaschinengleiche Surren, wenn
eins dieser zwangsindividualistischen Silbereier auf der Strasse an einem
vorbeischiesst.
1.2 Markenbild
Primäres Identifikationsmedium ist der Markencharakter, der in erster
Linie durch die Foorm bestimmt wird. Die Form und die verwendeten
Materialien eines Automobils sind von wesentlicher Bedeutung innerhalb der
Abverkaufsstrategie, mehr als beispielsweise die technischen Komponenten
bzw. Rahmendaten wie Hubraum, Leistung etc.
1.3 Design
Das Design des Audi TT vereinigt zwei Hauptcharakteristika: Sportlichkeit
und Individualität. Der vordergründig sportliche Charakter wird
hauptsächlich durch folgende Gestaltungselemente ausgedrückt:
- Tropfenform
- weit hochgezogene Seitenlinie
- ausgestellte Kotflügel
- "technisch" anmutende Designelemente im Innenraum
Die Tropfenform sowie sämtliche in die Karosserie integrierten, optischen
Details sind eine schlechte Kopie des klassischen 911ers. Die hochgezogene
Seitenlinie gewähleistet eine "sich auf die Strasse duckende" Wirkung der
Karosserie, die überraschenderweise genau so hoch ist wie die eines
gewöhnlichen Golfs neuerer Bauart. Man merkt das, wenn man drin sitzt und
versucht, einen Ellenbogen lässig aus dem geöffneten Fenster zu hängen: Es
geht nicht. Die Oberkante der Türfüllung befindet sich etwa auf Höhe der
Ohren der Insassen. Das hat den kuriosen Nebeneffekt, dass alle TT-Piloten
in ihren Fahrzeugen aussehen wie Zwerge. Ausserdem haut man sich wegen der
heruntergezogenen Türzargen beim Einsteigen grundsätzlich den Kopf an. Die
Mogelpackung offenbart sich auch beim flüchtigen Blick unter die tief
heruntergezogenen Kotflügel: Was Breite demonstrieren soll, versteckt zwei
Paar dünne Schubkarrenrädchen.
2. Positionierung
2.1 Historie
Seit Auslaufens des Golf GTI und einigen exotischen, doch eher im Sande
verlaufenen Experimenten wie Scirocco, Corrado, Golf VR6 oder -G60, fehlte
in der Produktpalette des Volkswagen-Konzerns ein "klassisches"
sportliches Automobil der Kompaktklasse. Der rasante Ansehenszuwachs der
Konzerntochter Audi prädestinierte das Unternehmen geradezu, diese
Angebotslücke mit einer fulminanten Neueinführung zu schliessen.
2.2 Potenzial
Der Golf ist ein hervorragendes Auto, taugt aber aufgrund seines
"praktischen" und vernünftigen Charakters leider nicht zu repräsentativen
Zwecken oder gar der habituellen Darstellung einer hedonistischen
Grundeinstellung fürs aufgestiegene Kleinbürgertum in seiner
prä-reproduzitären Phase. Es musste ein Weg gefunden werden, die
vorhandene Technologie neu und zielgruppenrelevant zu verpacken. Der in
phallologozentristischem Grössenwahn manifestierte Charakter des damaligen
Konzernherrn spiegelte sich auch prompt in einem, weit über ein seriöses
Ziel hinausschiessendes, futuristisch, ja - geradezu totalitär anmutenden
Designkonzepts wieder, was der angehobenen Reizschwelle unserer heutigen
Gesellschaft auch kongenial entgegen gekommen ist.
2.3 Zielgruppen
Zielgruppe sind all jene, die zur Darstellung ihrer Position innerhalb der
heterophoben Gesellschaft ein entsprechendes Automobil benötigen, ohne
dass sie bereits aktuelle Zugeständnisse an die Praktikabilität zu machen
müssen glauben.
Sport-affine Zielgruppensegmente:
- ausgelernte Handwerker
- Mitläufer des e-commerce-hypes
- Jungdynamiker [Product manager etc.]
Designorientierte Zielgruppensegmente:
- Designer
- Architekten
- etc.
Kurz: Alle männlichen Autofahrer, denen die Form wichtiger als der Inhalt
ist.
2.4 Unterstützende Massnahmen
Durch die modernen Instrumente der Absatzfinanzierung kann sich heutzutage
jeder Depp ein Auto "leisten", das seine pekuniären Ressourcen beiweitem
übersteigt. [Der Schuss kann natürlich auch nach hinten losgehen; so wirde
ich schon einmal vom Porsche Zentrum Frankfurt angeschrieben, ich sei doch
genau die richtige Zielgruppe, um mir für 899 Mark einen Boxster im Monat
zu leasen. Meine Antwort war selbstverständlich ein böser Brief ans
Unternehmen, was denn diese Unverschämtheit sollte, worauf sich der
Geschäftsführer persönlich bei mir entschuldigte und mir einen Tag lang
einen Carrera 996 zur Verfügung stellte. Boah, ey.]
3. Sexualität
3.1
Das "technische" Automobil repräsentiert die Vorstellung der
samenproduzierenden "Maschine" in konzentrierter Form. Geschaffen von
Männern, gemacht für Männer und gelenkt von Männern ist der Audi TT gerade
wegen seiner die Übermutter symbolisierenden Formgebung das ideale
Instrument auf technologischer Ebene, Männlichkeit [Mannes-Kraft] im
heterosexuellen Kontext zu manifestieren. Jedes verchromte Plastikrädchen
im Inneren eine Brustwarze.
3.2 Der zwanghafte Charakter
Alles an dem Wagen ist ein Produkt des Scheinens. Die Fahrleistung kommt
aus den Randbereichen des technischen Materials, frühzeitig auf den Markt
geworfen und oftmals aus der Kurve getragen. In der Tropfenform offenbart
sich die immanente, auf den Fahrer übertragende Kastrationsangst: Keine
langgezogene Motorhaube wie beim SL oder der Corvette, die einfach nur zu
sagen scheinen: "Schwanz", kein kraftstrotzender Boxermotor wie beim
Carrera in seiner Hommage an "The balls" - nein, Weiblichkeit und
Submission allenthalben. Der Fetisch Automobil in Reinkultur.
3.3 Fetischisierung
3.3.1 Theorie
Für den sexuellen Fetisch liefert Mannoni eine Strukturformel: Es gibt
Wissen, und zugleich eine libidinöse Fixierung auf eine [wunschgerechte]
Illusion. Das Wissen um die Tatsache, dass die Frau keinen Penis hat,
manifestiert sich in der Weiblichkeit des Audi TTs. Das "Aber", das diese
Struktur der Verleugnung in sich birgt, führt aber den Fetischisten in
seiner manifesten Kastationsverleugnung dazu, das Bezeichnende, das
weibliche, "trans-gendered" Fahrzeug trotz besseren Wissens als Signifikat
seiner latenten Männlichkeit einzusetzen.
3.3.2 Praxis
Dieses einzigartige Einsatzfeld als falsches Männlichkeitssymbol legt nun,
auf gesellschaftliche Ebene transformiert, die Vermutung nahe, dass der
gemeine TT-Fahrer latent homosexuell veranlagt ist, denn nur er hat einzig
und allein einen existentiellen Grund, die Gesellschaft über seine
Homosexualität hinwegzutäuschen und dabei auf ein perfekt ent-männlichtes
Medium in seiner vollen Interpassivität zurückzugreifen. Diese
Interpassivität basiert auf dem Glauben, es handele sich um ein
Männlichkeitssymbol, der selbst NICHT geglaubt wird, sondauf ein nicht
näher genanntes Publikum delegiert wird, dass sich in der heterophoben
Gesellschaft auf voller Breite findet und ihn widerum durch ihre
Rückmeldung bestätigt.