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Angst und die Sehnsucht nach Sicherheit - Videoüberwachung in Frankfurt

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„Ein wesentlicher Beitrag zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ist die Videoüberwachung von Kriminalitätsschwerpunkten im öffentlichen Raum. Die entsprechende Regelung im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§14 Abs. 3 HSOG) soll es ermöglichen, öffentlich zugängliche Orte mittels Bildüberwachung offen, also für jedermann deutlich sichtbar, zu beobachten.“ (Stellungnahme der Stadt Frankfurt auf ihrer Homepage) „Nach zwei Jahren Videoüberwachung ist das Ergebnis in Frankfurt also exakt die gleiche Zahl erfaßter Straftaten im Bereich Konstablerwache (wie zuvor).“ (Tarek Al-Wazir, hessischer Landtagsabgeordneter, Die Grünen)

Nach den Kamerainstallationen an der Konstablerwache, bereitet die Stadt Frankfurt nun weitere um den Hauptbahnhof vor. Die Straßenbahn Haltestelle, der Kaisersack sowie Kaiserstraße Ecke Moselstraße und voraussichtlich die Taunusstraße sollen observiert werden. Das Geschehen im Hauptbahnhof, in zahlreichen S-Bahn Stationen sowie vielen Gewerberäumen wird bereits aufgezeichnet. 11 der 60 neuen Straßenbahnen der VGF werden überwacht , die 49 anderen enthalten bereits die Ausrüstung zur Aufrüstung.

Bei vielen Bürgern, laut einer Umfrage der FAZ die Mehrheit, steigert sich das sog. subjektive Sicherheitsgefühl. Andere wiederum sehen in der Überwachung einen Angriff auf die persönliche Freiheit, fürchten den Datenschutz in Gefahr und haben bereits schwarze Visionen vom Orwell'schen Überwachungsstaat.

Hier seien nun die Fragen erlaubt, inwiefern diese Gefühle und Gedanken begründet und berechtigt sind, aber auch wie die Verantwortlichen der Überwachungsanlagen mit ihnen umgehen und sie berücksichtigen. Und natürlich auch wo die Berechtigung von Videokameras im öffentlichen Raum liegt, ob sie überhaupt den von ihnen erhofften Erfolg bringen.

Erhofft werden sich, laut Innenministerkonferenz vom 5.5.2000, eine Verstärkung der Prävention, die Reduzierung der Kriminalitätshäufigkeit, Steigerung der Aufklärung von Straftaten sowie die Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls. Sicherheit vor wem oder was wird nicht konkretisiert. Da die Konferenz im Jahr 2000 abgehalten wurde, müßten die Innenminister eigentlich über Ergebnisse aus England informiert sein, wo schon länger und in größerem Umfang observiert wird. So wurde auf der Insel festgestellt, dass sich nach zwei bis drei Jahren ein Gewöhnungseffekt einstellt und die Kriminalität wieder den alten Stand erreicht. Schon vorher wurde sich nicht wirklich weniger, sondern verlagerte sich nur in Randgebiete der überwachten Zone. Auch an der Konstablerwache konnte dann, wie eingangs erwähnt, zwei Jahre nach Anbringen der Videokameras kein Rückgang der Straftaten festgestellt werden. Die Polizei begründet das damit, dass sich Dank der Kamerainstallationen nun genügend Beamte um B-Ebene und Seitenstraßen kümmern können und die dort schon immer vorhandene Kriminalität nun zum Vorschein komme (Prinzip der „Hol-Kriminalität).

Überhaupt steht die Polizei der Videoüberwachung sehr aufgeschlossen gegenüber, ist sie doch fest davon überzeugt das sie ein nützliches Werkzeug zur Prävention ist. Warum nun rund um den Hbf, der tagsüber bis in den späten Abend von Polizei, Ordnungsamt und privaten Sicherheitsdiensten gesichert wird nun noch extra Kameras hinzukommen müssen, die auch in Zeiten der Überwachung durch Beamte filmt konnte nicht deutlich gemacht werden. Ob in Zukunft die Polizisten in den Seitenstraßen ausschwärmen und den Kaisersack einzig den Kameras überlassen wird sich herausstellen. Etwas verwundert ist man bei der Polizei ob der Aufregung um die Videoüberwachung, so bringe doch dieser kleine Einschnitt in die Freiheit erhöhte Sicherheit und in Gewerbegebieten oder Einkaufszentren werde man doch schon seit Jahren gefilmt und dies ohne jeglichen Datenschutz. Wobei Videoüberwachung von vielen Datenschützern als grundlegenden Einschnitt in die persönliche Freiheit angesehen wird. Auch sollte man angesichts der negativen Erfahrung die in der Vergangenheit ,nicht nur in Deutschland, mit weiträumiger Überwachung der Bürger gemacht wurde etwas vorsichtiger Argumentieren.

Weniger zur Verhinderung von Gewalttaten als zur Vorbeugung von Vandalismus und Graffiti wird die VGF Videokameras in 11 der 60 neuen Straßenbahnen einsetzen. Eine Ausweitung auf U-Bahnen ist aber nicht geplant. Auch hier wird mit der neuen Technik äußerst sensibel umgegangen. Die Aufnahmen werden dezentral auf mehren Festplatten in den Bahnen 36 Stunden lang gespeichert. Sie werden nur bei kriminellen Vorkommnissen von einem kleinen Kreis Befugter eingesehen, ansonsten unbesehen gelöscht. Die VGF versteht dieses Vorgehen auch als ein Zugeständnis an überwachungskritischge Fahrgäste.

Ein Zugeständnis oder jeglichen Ansatz von Verständnis ist bei der Deutschen Bahn nicht vorhanden. Die über 100 Kameras im Hauptbahnhof sind nur äußerst schwer zu sehen. Nur Piktogramme an den Eingängen weisen auf die Überwachung hin, Hinweistafeln sucht man vergeblich. Die Aufnahmen werden permanent von Bahnpersonal überwacht. Dieses kann beliebig auf Details zoomen. Nur bei Straftaten erhält der Bundes Grenzschutz bis zu 48 Stunden nach einer Tat Einsehen in die Bilder, die sonst gelöscht werden. Laut hausinternen Umfragen soll eine Mehrheit der Bahnkunden zufrieden über die Kameras sein. Auf die andersdenkende Minderheit wird allerdings keine Rücksicht genommen. Auch bei der Bahn soll die Observation nicht allein der Gewaltpräventation dienen, sondern dem Service. So werden überfüllte Mülleimer oder körperlich behinderte Fahrgäste per Kamera geortet und Personal kann direkt vom Mitarbeiter an den Monitoren koordiniert werden. Die Videokameras können also sowohl zum Stellenabbau als auch zur Überwachung der eigenen Angestellten eingesetzt werden.

Es bleibt zu vermerken das die elektronische Überwachung sich immer größerer Beliebtheit erfreut und die Betreiber sich zwar streng an die Datenschutzvorgaben halten (müssen), das Verständnis für Gegner der Videokontrolle aber meist gering ausfällt.

Wie aber gehen die Bürger mit der zunehmenden Installation von Videokameras um? Wie schon beschrieben verbessert sich mehrheitlich das subjektive Sicherheitsgefühl. Dies ist leider auch das einzige Argument für elektronische Observation seitens der Bevölkerung. Zweifellos können durch Kameras z.B. entlegene Fußgänger Unterführungen, die nicht über Fluchtmöglichkeiten verfügen, oder unübersichtliche U-Bahnstationen ihren nächtlichen, beklemmende Wirkung verlieren. Ob sich das Sicherheitsgefühl jedoch auch an viel besuchten Orten wie Fußgängerzonen immer noch verbessern würde, wären die geringen Erfolge der Kameras in der Verbrechensbekämpfung bekannt, sei dahin gestellt. Grundsätzlich stellt sich die Frage wie man überhaupt zum sich sicher oder unsicher fühlenden Menschen wird. So führen schlechte Erfahrungen zwangsläufig zu Unsicherheiten beim erneuten Aufsuchen des Ortes des Erlebten. Einen Großteil tragen aber auch die aufgenommenen Informationen bei. Wird einem immer wieder ein bestimmter Ort als besonders gefährlich vermittelt, wird das irgendwann geglaubt, selbst wenn man noch nie dort war oder an betreffender Stelle keine negativen Erlebnisse hatte. Ronald Schill und der Springer Verlag verunsicherten 2001 die Hamburger mit der Information, die Hansestadt sei die Kriminalitäts Hochburg Deutschlands. Das für die ungewöhnlich hohe Zahl der Straftaten ein einziger Prozeß verantwortlich war, bei dem mehre tausend Einzelklagen eingereicht wurden und dass ein weiteres Groß in der Statistik durch Verletzung der Asylgesetze durch Asylbewerber, wie z.B. dem Verlassen der Stadt, zustande kam wurde bewußt verschwiegen. Die Hamburger aber fühlten sich stark verunsichert und knapp 20% wählten Schill, der versprach die Kriminalität drastisch zu senken. Ist eine negative Beeinflussung möglich, könnte das „subjektive Sicherheitsgefühl“ dementsprechend auch durch positive Meldungen verstärkt werden. So könnte beispielsweise die Verbreitung des Faktes, dass wir in einem der sichersten Länder der Welt leben oder wie gering die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Übergriffes zu werden wirklich ist zu einer Veränderung der gefühlten Sicherheit führen. Bei Gegnern der Videoüberwachung mehrt sich bei Anbringen neuer Kameras natürlich die Unsicherheit. Gerade wenn eine undifferenzierte Befürwortung wie z.B. von Innenminister Bouffier oder der Bahn AG dahinter steht. Der Verein zur Förderung des bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD) aus Bielefeld sieht in der Videoüberwachung eine Verletzung der Rechtsstaatlichkeit, da die Unschuldsvermutung durch ständige Beobachtung außer Kraft gesetzt wird. Ähnlich argumentieren Datenschützer, die Entstehen und immer stärkeres Zusammenwachsen einer Überwachungsstruktur als eine Gefahr der freiheitlichen Demokratie ansehen. Ein Zustand in dem man sich permanent Fragen müsse, ob man gerade beobachtet werde, sei unbedingt zu verhindern. Dies wird vom Bundesverfassungsgericht damit begründet, dass Menschen, die mit der Registrierung all ihrer Handlungen rechnen müssten, alles täten um nicht aufzufallen. So würden Grundrechte, wie z.B. der Besuch einer Bürgerversammlung nur eingeschränkt wahrgenommen und so entstände ein Schaden des Gemeinwohles.

Zusammenfassend wäre zu bemerken, dass der gefürchtete Überwachungsstaat dank den strengen Reglementierungen der Datenhandhabung weit entfernt liegt. Andererseits ist zu bemerken dass die Möglichkeiten der Videoüberwachung teilweise überbewertet werden und Installationen unnötig angebracht werden. Das Überwachungsanlagen ein effektives Mittel zur Verbrechensbekämpfung darstellen, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, an ausgewählten Orten wie den schon angesprochenen Fußgänger Unterführungen beispielsweise können sie aber durchaus nützlich sein. Ob ihr Nutzen an viel besuchten Plätzen jedoch den erheblichen Eingriff in die „Privatsphäre in der Öffentlichkeit“ rechtfertigen kann ist doch äußerst fraglich. Auch auf die Frage auf welche Art von Kommunikation und gesellschaftlichem Zusammenleben wir uns zubewegen, wenn wir uns zunehemend durch elektronische Augen observieren lassen, bietet die Videoüberwachung keinen besonders optimistischen Entwurf. Ich selber verspürte Unsicherheit als ich mir bei einem Spaziergang vorstellte, gefilmt zu werden. Diese Unsicherheit entstand nicht nur durch das Gefühl beobachtet zu werden, wie man es vieleicht auch in einem Restaurant erleben kann, wenn man von einem Menschen angesehen wird, sondern auch durch die Unwissenheit wer sich hinter der Maschine befindet, welche Macht er hat und wie er mit den Informationen umgeht.

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