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Beiträge zu einer Ästhetik der Teilnahme IV

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Zur vierten Veranstaltung von trudi.sozial. Wir durchmessen einige felder des gesellschaftlichen miteinanders, in denen teilnahme aufscheint. Tourismus, arbeitsleben, studienbetrieb, demonstrations- und redefreiheit, clubangst.
Hier der versuch einer zusammenfassung dieses ergiebigen abends:

- zur wahrnehmung des touristen und der des ausstellungsbesuchers (immer noch "lebendiges museum".....)
Als beispiel, ein amerikaner, der zur zeit durch bücher und eine eigene fernsehshow grossen erfolg darin hat, kleine unbekannte orte in europa zu propagieren, die in folge von amerikanischen touristen überschwemmt werden. Liegt hier das problem weniger im pfadfinder als in den nachahmern, die ihm gedankenlos folgen?
Alain de Botton hat das prägnant am beispiel von Prousts "Combray" (Illiers) gefasst. Der marktflecken Illiers, wo Proust als kind seine sommerferien im hause seiner tante verbracht hatte, nennt sich jetzt "Illiers-Combray", anknüpfend an die fiktion, die ihm Proust in seinem roman verliehen hatte. Der ort lebt jetzt von den touristen, die den spuren Prousts folgen, und dabei die intention des autors missverstehen, aus dem beliebigen zufälligen etwas für sich selbst besonderes zu machen. In der umgebung von Illiers gibt es noch dutzende andere möglicherweise gleich interessante städchen, die nur das unglück haben, nicht von einem berühmten schriftsteller beschrieben worden zu sein. Die touristen würden Proust besser verstehen, wenn sie seiner methode, nicht aber seinem ergebnis folgten, - oder wie es de Botton ausgedrückt hat: nicht seine (Prousts) welt mit unseren augen, sondern unsere welt mit seinen augen betrachten.

- zum ergebnis der auswertung des neon magazins: die 100 wichtigsten jungen deutschen, und warum nur ein unternehmer darunter ist. Im folgenden zur repräsentation von teilnehmern am wirtschafts- und arbeitsprozess (arbeitnehmer, arbeitgeber, gewerkschaften)
Es entwickelt sich eine diskussion um die thesen von Markus, der behauptet, er bräuchte keine vertretung mehr, er könne sich mit seinen interessen gegenüber der firma selbst vertreten.

- zum vergleich die stellung des studenten; seine teilnahme an der gesellschaft und am uni-betrieb. Die situation der geisteswissenschaften. Schweigen in den seminaren versus jargon und gekünstelte fachsprache. Ist das, was man lernt nur eine äussere form? Vergleich zu sprachhülsen im arbeitsleben ("proaktiv eskalieren").

- die bundeswehrausstellung am ratswegkreisel. Protest, wenn ja, wie und warum. Die idee des protestes in der mediengesellschaft im allgemeinen und hinsichtlich von neo-nazis im besonderen.

- zu form und repräsentation des clubs. Warum reden, wenn gleichzeitig musik läuft? Warum musik machen, wenn gleichzeitig geredet wird?
Abgrenzung zum bürgerlichen musikbtrieb: schweigen im konzertsaal während der musikdarbeitung, gerede und keine musik in der pause. (Ein historische entwicklung des 19.jhdts, die allerdings auch nicht immer rein gehalten wurde. Man ging in die oper und unterhielt sich mit freunden in loge, spielte dort sogar karten und trank.....).
Abgrenzung zu bestimmten clubs. Techno im Omen z.b. duldete keine unterhaltung, schon wegen der lautstärke, aber viel stärker im hinblick zu einem diktat der wortlosen massenekstase. Sich vergessen, sich verlieren, in der musik, in den anderen, in drogen, - das verlangte nicht nach gespräch.
Reden wir vielleicht daher von events an der grenze von kunstereignis und club. Beispiel etwa Lola Montez. Fast alle haben schon die erfahrung gemacht, wider willen in ein gespräch innerhalb der reichweite der musik gezogen worden zu sein. Man schreit sich gegenseitig ins ohr und versteht doch nur die hälfte. Auch auf der party neulich am bunker in der schmickstr, ein von baulichen beschränkungen weitgehend freier ort, bannte die besucher gleich neben der "tanzfläche" in die unterhaltung. Warum hat man sich ausgerechnet dort etwas zu sagen zu haben? Geht die aufforderung, man könne sich ja zur not an einem ruhigeren ort treffen, am problem vorbei; und nicht nur, weil auch in bars sehr oft zu laute musik gespielt wird?
Was ist es, was die musik unverzichtbar fürs gespräch werden lässt? Ist die musik wie eine hülle, die einen im gespräch umgibt und stützt, oder ist sie scheide, die dem gespräch grenzen setzt? Geht es nicht im beiden fällen um angst vor einem vorbehaltlosen sprechen?


- die ästhetik der cluberin. Was bedeutet bauchfreiheit? Warum muss jetzt der bauchnabel gezeigt werden? Diskussion um eine schule in/bei Hannover, wo den schülerinnen verboten wurde, bauchfrei zu erscheinen. ("Keine partybekleidung an der schule...."). Ist der bauchnabel das neue dekolltée?

Note: Ein Projekt von trudi.sozial

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