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Beiträge zu einer Ästhetik der Teilnahme III

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Im folgenden einige Stichpunkte zur dritten Veranstaltung von trudi.sozial. Was macht das spezifisch ästhetische von Teilnahme aus? Welche gesellschaftlichen Produktionen lassen sich dafür ausmachen? Wie werden sie wahrgenommen? Besteht ein Unterschied zwischen Teilhabe und Teilnahme? Gibt es auch Teilgeber?

Im mittelpunkt der letzten beiden sitzungen stand eine form, die ich strukturelle teilnahme nennen möchte, die sich vor allem auf schriftstücke (ausweise, erlaubnisse, zeugnisse etc) und - auch - auf geld stützt.

Diese ist sicher wichtig und als solche grundbedingung einer ästhetik der teilnahme, die ich aber eher als form der äußeren darstellung, als anschein oder simulation einer person oder einer gruppe verstehe.

Hier einige stiche:

Soll ich mir bunte Bildchen ans Auto kleben? Soll ich ein Tatoo tragen? Ein Logo auf die Brust sticken? Immer mit Betonung aussprechen? Einen Ring durch die Nase bohren? Cool "Hallo" sagen und weiter gehen? In jeder Kneipe stolpern? Meine besten Freunde übersehen? Soll ich mir einen Schal ums Gesicht binden? Mir die Haare färben und von hohen Häusern springen? Soll ich Röcke tragen? Den Club wechseln? Laut fluchen? Soll ich Hochzeiten meiden und Beerdigungen suchen, oder eher umgekehrt? Zu allem leise pfeifen? Ist Peter ein Familienname? Soll ich arabisch sprechen? Soll ich auf Psycho machen? Was steht mir schlecht? Falsche Zähne, falsche Freunde oder Golf Cabrio? Ginge es auch mit Leidenschaft oder reichen mir Marken wie Donna Karan und Vivienne Westwood völlig aus? Bin ich ein Model wie andere auch?.


Und hier das Protokoll von Tine Nowak:

So nochmal Text zur "Teilnahme", letzten Sonntag bei trudi-sozial:



Teilhabe an der Teilnahme



Ein Tisch. Sechs Leute drumherum. Später noch ein siebter Gast. Diverse Schriftstücke werden herumgereicht und erörtert.



Neon, das neue Magazin.

Ein Katalogheftchen eines Trachtenversandhauses aus der Oberpfalz (im Prinzessin-Landhaus-Look).

Ein englischsprachiges Fashion-/Lifestylemagazin.

Ein Modezine mit “jugendlichen” Labels (Puma, Freitag, etc.). Extrem Fotolastig, mit erzählenden Texten: Bsp: “Marja und Eva turnen am Bock, Haben aber nur Bock auf ihre Klamotten. “

Ein gefundenes Fotobüchlein, mit Bildern aus dem Vereinsleben (sehr 80er).



Ein Plaudern an den herumgereichten Objekten entlang.



Einstiegsthema:. Der Aufmacher von Neon. Die 100 wichtigsten jungen Deutschen. Warum sind diese Leute wichtig und wer hat sie dazu erwählt? Sind sie Vorbilder oder Maßstab? Wer liest dieses Magazin? Wer ist die Zielgruppe?



Diskurs/Begriffsbestimmung: Teilnahme oder Teilhabe? Passiv/ Aktiv? Vorgaben und Vorgeber.



Weiter geht es um Dinge, die Wert bekommen, weil sie nicht da sind, aber immer schon mitgedacht werden. Lacan, ruft Herr Braun in den Raum. Aber eigentlich geht es immer noch um Neon. Das Titelblatt. Da sind eine MTV-Moderatorin und ein Schauspieler zu sehen. Sie wie Schneewittchen. Im Hintergrund leuchtet das Grün eines Baumes. Und wäre da noch der Apfel und die Schlange sähen sie aus wie Adam und Eva. Aber eigentlich ist es egal, ob die Schlange tatsächlich da ist, denn sie wird schon im Hirn ins Bild reingerechnet. Ist somit schon impliziert beim Hingucken, dann ist es so als ob sie längst da sei.



Und mir fällt eine zukünftige MMK-Aktion ein, wo auch etwas jahrelang verborgenes öffentlich gemacht werden soll. Bei MMK fällt allen das Lebendige Museum und Kittelmann ein. Und sind teils genervt, teils amüsiert. Und man bleibt im Gespräch hängen bei dem Raum der stets schwarz, dann wieder weiß gestrichen wird; dass er schon seit der Neueröffnung da sei, irgendwann die Tür verschwände, denn durchs Streichen wird die Wand immer dicker. Wenn nur lang genug gestrichen würde, müsste der Raum zuwachsen, bis niemand mehr hinein könne und dann wäre es ein geheimer Raum, wo niemand wisse, was drinnen ist. Nur von Außen könnte man munkeln, wie es innendrin sei und Dinge implizieren, die gar nicht vorhanden sind und dann doch da sind, nur weil man sie hineindenkt. Zumindest wenn es die Statik aushielte, solche dickere Wände seien ja nicht eingeplant. Nicht dass der Raum einfach ein Stockwerk nach unten krache, kommt es vom Herrn Beck.

Und dieser erzählt, dass ihm im Goto jemand erzählt habe, dass sie in letzter Zeit auch diese nachmittäglichen Fernsehshows gesehen habe. Und im Gespräch geht es dann um diese. Ob die echt sind oder doch alle insziniert. Welche Faszination davon ausginge, warum jemand dort Publikum sein wolle oder ob die gar dafür bezahlt würden. Ich erzähle, dass ich einst bei einer Fernsehshow war und wie wir alle brav in die Kamera gelächelt haben. Und heute sei doch das Publikum schon so fernseh geschult, man wisse ja wie man als Publikum auszusehen habe, man reagieren müsse. Professionalisiertes Publikum sozusagen. Professionelle Branche, mit Medienkomplex in Hürth. Ein merkwürdiger ort, wo die alteingessenen Hürther neben dieser Medienblase wohnen, zu der aus ganz Deutschland das Publikum hergekarrt wird, um einmal ins Fernsehen zu kommen. Warhols Prophezeiung, dass einst alle Menschen für ungefähr fünfzehn Minuten Berühmtheit erlangen werden, ist längst eingetroffen, wie der tägliche Blick auf den Fernsehbildschirm bestätigt.



Weiter so, heute abend bei: Ästhetik der Teilnahme.

Zur Begriffsklärung:



aus: Köbler, Gerhard, Deutsches Etymologisches Wörterbuch, 1995

Teilnahme, fem. = Beteiligung an einer fremden Handlung insbesondere an einer fremden Straftat‹, (E.) 18. Jh. Lat. lat. participatio, F., "Teilhaftmachung", s. Teil, Nahme

Teilnehmer, mas. = wer sich an einer fremden Handlung beteiligt, (im Strafrecht) wer einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt (Anstiftung) oder ihm zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat vorsätzlich Hilfe leistet (Beihilfe), Partizip, 16. Jh. (Ickelsamer um 1530) bzw. Teilnehmer Ende 18. Jh., lat. particeps, subst. Adj., Teilnehmer, s. teil, Nehmer

Teilhaber, mas. = Mitberechtigter, Anfang 18. Jh., s. teil, haben





aus. Microsoft Thesaurus:

Teilnahme = Hilfe (Anteilnahme), Beteiligung (Mitwirkung)

Teilnehmer = Anhänger (Besucher, Mitspieler, Mitläufer)

Teilhabe = Anteil (Partizipation), Mitmache, Dazugehöre

Teilhaber = Sozius (Mitglied, Mitinhaber)







Relevante Links:



http://www.suhrkamp.de/buecher/taschenbuch/es/2002/september/12279.htm Robert Pfaller: Die Illusion der anderen.


http://www.a-gwand-vom-sepp.de/ Katalog des Bayerischen Erlebnistrachtenhauses Ebnet


Neon: Magazin: http://www.neon-magazin.de und
http://neon.stern.de/neon/was_wichtig.html

Note: Mit dem Protokoll von Tine Nowak

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